Der Riss - Ein Gedicht

Der Riss

~ Ina Broich

Ich bin ein Riss.
Ich bin ein Riss im Leben, in der Welt.
Zuweilen durchlässig und durchscheinend, ein anderes Mal weite ich mich zu einem Spalt. Ergieße mich in das Blühen. Lasse erblühen; werde erblüht. Sprieße, gedeihe, verdorre.
Meine Enden fasern aus und ich verliere mich, mein Selbst, die Ideen, mein Sein. Dann fließt aus mir Dunkelheit und schluckt jedwedes Licht.
Ich bin ein Riss.
Ein Umriss, ein Abriss, eine Abrissbirne im Raum des Lebens. Zieht Kälte hindurch, sind meine Ränder hart, unantastbar.
Doch flutet die Wärme, so erweichen die Befestigungen.
Ich bin ein Riss.
Gebe nur wenig des Wahren preis. Es sickert, es tröpfelt. Die Gräben liegen unsichtbar, verschüttet. Hingegen … fällt ein Strahl hindurch, sät er Erwachen, Auf-Leben. Die Welt hinter dem Riss erhellt und klart auf in ihrem Selbstempfinden. Sie sprudelt und weitet.
Ich bin ein Riss.

© by Ina Broich

Kommentare

  1. Liebe Ina,
    wenn mich jemand fragen würde, was mir zu dem Begriff "Riss" einfällt, käme ich spontan auf: Riss in einer Jeans, Muskelfaserriss, Riss in der Schüssel....
    Was Du aber alles aus diesem Wort herausholst ist phänomenal! LG Deine Erika

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    1. Vielen Dank für Deine lieben Worte! Riss in der Schüssel ist aber auch nicht schlecht :-)

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